Eiszeit im Garten Eden

Liebe, Verführung, Sündenfall – Adam und Eva im Dschungel der Gefühle: Barbara Grimm zeigt ihre erste große Einzelausstellung im Museum Voswinckelshof. In 55 Bildern spinnt sie Gedankenfäden zwischen alttestamentlichem Mythos und kühlem Zweckraum eines abgeklärten Heute.

VON RALF SCHREINER

DINSLAKEN Violetter Adam, fliederfarbene Eva – die nackten Leiber beschienen von einem käsigen Mond. Um den entlaubten Baum der Erkenntnis schwebt eine Schlange. Es ist eine Tigerpython. Kein Apfel in Sicht. Eiszeit im Paradies. Barbara Grimm malt Bilder, in denen der Betrachter lesen kann wie in einem Buch. Es sind Szenen aus dem Garten Eden, Bilder aus einem Paradies, in dem die Bewohner längst ihre Unschuld verloren haben. Barbara Grimm fasziniert das Adam-und-Eva-Motiv seit über 30 Jahren. Für ihre Ausstellung im Museum Voswinckelshof hat die Künstlerin aus Hünxe-Bruckhausen das Thema um „Paare“ und „Paarbeziehungen“ erweitert. Zu sehen sind kleinformatige Skizzen und Aquarelle sowie große Leinwände und Triptychen in Acryl, in denen sie das gewählte Sujet immer wieder variiert.

Singende Brüder und Schwestern

Diese Variationen machen neugierig. Zur Eröffnung der Ausstellung „Adam und Eva – Paare“ herrschte im Museum drangvolle Enge. Das lag mit daran, dass sich unter die Kunstinteressierten zahlreiche Überraschungsgäste gemischt hatten. Stefan und Christian Büscherfeld, die den musikalischen Rahmen gestalten sollten, setzten sie eine rockige Gesangsnummer vor die Nase. „Brothers And Sisters“ tönte es plötzlich aus 70 Kehlen. Die Teilnehmer des Workshops „Sing Dinslaken“ unter Leitung des Komponisten und Chorleiters Kirby Shaw mischten gut gelaunt den Saal auf – verließen ihn dann aber ebenso schnell, wie sie gekommen waren.

In Barbara Grimms Bildern steht der malerische Akt im Vordergrund. Die Künstlerin bevorzugt leuchtende Farben, die sie mit breitem Pinsel und expressivem Strich auf den Malgrund setzt. Das schwerfällige Öl eignet sich dazu nicht. Grimm bevorzugt Acryl, Aquarellfarben und Graphit. Dabei fallen grafische und malerische Strukturen ineinander, begegnen sich ungetrennt. Die Künstlerin interessiert beim Adam-und-Eva-Motiv nicht die Schuldfrage. Den Akt der Versuchung auf den Apfelbiss zu reduzieren, käme ihr nicht in den Sinn. Sie zeigt lieber, was ist und möglicherweise war. Sie lässt den Betrachter die Bilder weiterdenken und dabei zugleich spüren, wie sie entstanden sind: aus dem Steinbruch menschlicher Erinnerung, aus Emotion, Intuition und der fließenden Bewegung des Arms, der Lust auf heftigen, rohen Farbauftrag und den bewussl unfertigen Strich.

Die Ausstellung ist allein wegen der Fülle der Bilder eine Augenweide. Spannend wird sie durch die Art und Weise, wie Barbara Grimm Adam und Eva vom alttestamentlichen Mythos löst. Das Paar posiert mitunter derart abgeklärt, unterkühlt und unparadiesisch, als werbe es für ein besonders teures Aftershave. Es gibt auch Arbeiten, in denen die Künstlerin Nähe zulässt, Bilder von Paaren, die eng umschlungen beieinander liegen, nackt am Strand stehen und auf rotem Sofa sitzen, Liebende in der Krise, im Glück, im Rausch.

Künstlerischer Augenaufschlag

Der Kunsthistoriker Joachim Schneider erinnerte in seiner Einführungsrede an den biblischen „Augenaufschlag“ aus Genesis 3,7, der Adam und Eva erkennen ließ, „dass sie nackt“ waren. Die Unterschiede, die der Sündenfall einst offenbarte, machten aus der Geschichte von Adam und Eva eine Geschichte der Gegensätze. „Mit welcher Kraft die Gegensätze einander anziehen und abstoßen, wie viel Freude und Schmerz, Sehnsüchte und Verletzungen in dieser Offenbarung liegen, wird in der Bibel nicht erzählt“, sagte er. „Davon handeln die eindringlichen Werke von Barbara Grimm.“

Am Baum der Erkenntnis wachsen schon lange keine Äpfel mehr: Barbara Grimm brachte die Früchte in einem großen Korb mit in die Ausstellung. RP-Foto: Martin Büttner

Sonderausstellungen

„Unglaublich beeindruckt“ zeigte sich Dinslakens Kulturdezernentin Christa Jahnke-Horstmann von der Ausstellung. Sie nutzte die Begrüßung der Vernissage-Gäste für eine klare Ansage. Das Museum Voswinckelshof werde in Dinslaken lebenden und arbeitenden Künstlern auch in Zukunft – also nach der großen Renovierung – einen Raum bieten, den sie für Sonderausstellungen nutzen können.