Melancholie aus Studententagen

LITERATUR. Hans-Peter Fischer erinnert sich in seinem neuen Buch „Burgunderstraße 26“ an Kindheit, Jugend und Studium.

Bettina Schack

DINSLAKEN. „Ich kann nicht ohne Schreiben leben“, bekennt Hans-Peter Fischer im Gespräch. Nun hat er, der Deutschlehrer am Otto-Hahn-Gymnasium, sein drittes Buch veröffentlicht. Eine kleine Anthologie aus 30 Jahren niedergeschriebener Gedanken, Reflektionen, Gefühlen. Ein Gedichtband mit eigener Adresse. „Burgunderstraße 26“.

„Kölle am Rhein“, Altstadt-Süd. Hier entstanden frühe Zeilen, oft nur ein in Form gegossenes Wort lang. „Kölner Melancholie“ aus Studententagen. Er hängt an dieser Zeit, sie habe ihn geprägt, so Fischer. Wie den Jungen die Fußballweltmeisterschaft von 1954. Der Arztsohn durfte das Endspiel bei einem der Patienten live am Fernseher verfolgen. Unvergesslich, es gab nur eine Handvoll Privatgeräte. Noch heute verwahrt er eine dicke Mappe mit Originalautogrammen, einem „Kicker“-Magazin von ’54. „Ein kleines Juwel. Ich war dann etwas verbittert, als ich später erfahren hab, was da alles drumherum passiert ist.“

Seine Reaktion auf Trainer-Taktiken und Spritzenskandale, nachzulesen in der „Burgunderstraße“. Hans-Peter Fischer blendet nicht aus, er schreibt nicht „schön“, er konfrontiert. Ob Fontane oder Lessing, Nabokov oder eben Helmut Rahn. Der Dichter als Entdecker, als Aufdecker, eine oftmals überraschende Lektüre. Schon mal ein Gedicht über die Kneipengezeiten, die Rituale und Rollen zwischen Bier und Tresen gelesen? Oder über Heines Opernglas und sein Augenleiden in der Matratzengruft sinniert? Bei Heims Schlittschuhtod an Goethe gedacht und ein kleines gefrorenes Lächeln klirrend zu Boden fallen gehört?

Er schreibt nicht schön, er konfrontiert

Die kurzen Zeilen haben es in sich. „Die deutsche Nationalität, die siegte in diesem Drecke“ prophezeit Heine das „Wunder von Bern“, das keines war. Nur das Wissen eines Trainers um die Stärken und Schwächen des gegnerischen Teams. Herberger hat in London genau hingeguckt. Hans-Peter Fischer hat’s erkannt, denn ihm entgeht selber nichts.

Bei dem Studium von Heines Briefwechsel machte Fischer eine interessante Entdeckung. Der Bonner Kommilitone und enge Freund Friedrich von Beughem sei geborener Dinslakener gewesen. Erkannte ein Kind dieser Stadt den überragenden Geist? „Aus Enge und Verblendung / Führen Wege hinaus. / Heines poetische Sendung / Kam dem nach Westfalen / Gewandten Juristen bald / Nicht mehr ins Haus“ schließt Fischer sein Sonnett „Dinslakener Jammer“. Was war passiert? Der Forscherdrang ist geweckt. Ein gelungenes Gedicht beantwortet keine Fragen, es wirft sie auf, löst etwas im Leser aus.

Fischers Feder bleibt nicht allein

Fischers Feder bleibt nicht allein. Zu ihr gesellen sich Tusche und Tinte von Barbara Grimm. Ausdrucksstark gibt sie Salome und Lolita ein Gesicht, zeichnet Heines Blick und Kafkas Seele. Ein schönes Büchlein, aus dem auch mal ein Mädchenlächeln wie ein Lesezeichen fällt.